Zweisprachige Ausgabe Ukrainisch/Deutsch
Übersetzung von Chrystyna Nazarkewytsch und Harald Fleischmann
Umschlaggrafik von Valeria Lysenko
In Zusammenarbeit mit der Kulturvermittlung Steiermark
Vorwort der Autorin
Anfang März 2022 konnte ich nicht schlafen. Nächtelang lag ich auf dem ausziehbaren Bett meiner Eltern auf dem Land in der Nähe von Charkiw und verfolgte die neuesten Nachrichten. Ich war dort mit meinem neunjährigen Sohn und zwei evakuierten Katzen. Mein Mann war in Charkiw geblieben und hatte sich als Freiwilliger zur Verteidigung unserer Stadt gemeldet. Die Fenster im Elternhaus waren mit Tüchern aus Omas schwarzem Stoff abgedeckt, den sie einmal „zum Sterben“ gekauft hatte. Sie war ein Jahr vor dem großflächigen Krieg gestorben und jetzt retteten ihre Tücher uns das Leben. Von Charkiw her donnerte es Tag und Nacht, in der Dunkelheit hing über der Stadt ein tiefroter Himmel. Niemand wusste, was weiter geschehen würde.
Den 9. März 2022 werde ich bis an mein Lebensende nicht vergessen. An jenem Tag kehrte ich in die Stadt zurück, mit einem Sack Medikamente für die Soldaten der Einheit meines Mannes. Ich sah das arg mitgenommene Stadtzentrum, den zur Ruinenlandschaft entstellten Bezirk Saltiwka – und konnte zum ersten Mal wieder normal einschlafen. Nach ein paar Tagen postete ich auf Facebook: Ich glaube an die ukrainischen Streitkräfte und gehe ohne Unterhose zu Bett.
An diesen Post erinnerte ich mich wieder im vorigen Herbst, als ich plötzlich das Bedürfnis verspürte, diesen Krieg in Geschichten von Frauen zu erzählen. Die erste Geschichte sollte von jener Frau handeln, die Angst hatte, ohne Unterhose zu sterben. Nach dieser Geschichte kamen andere, Geschichten von namenlosen Frauen, die im Krieg lebten, mit dem Krieg und gegen den Krieg. Jede dieser Frauengeschichten handelt von niemandem konkret, gleichzeitig aber von uns allen.
Meine Frauen sprechen von Alltäglichem und Monströsem. Meine Frauen teilen Schmerz und Verzweiflung. Meine Frauen glauben und warten. Meine Frauen halten sich tapfer, auch wenn sie keinen festen Boden mehr finden. Meine Frauen wissen den Wert eines jeden Tages zu schätzen. Meine Frauen wollen gehört werden, und zwar von der ganzen Welt. Meine Frauen geben sich Mühe trotz allem weiterzuleben.
Meine Frauen …
Jetzt sind es auch eure Frauen.
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Autorin
Yuliia Iliukha, geboren 1982, ist eine ukrainische Schriftstellerin, Journalistin und Kolumnistin aus der Region Charkiw. Iliukha studierte Journalismus an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw und schreibt für Erwachsene und Kinder. In der Ukraine erschienen die Romane The Eastern Syndrome (2019) und Zero (2023), der Kurzgeschichtenband The Sky Catchers. Teach Me to Dream (2016), die Gedichtsammlung Graphomaniac Poems (2022) sowie mehrere Kinderbücher.
2024 erscheinen die Kurzgeschichten My Women in der Ukraine, Italien und den USA.
Der Gedichtband Das letzte Ahornblatt erschien in der Edition Thanhäuser 2024 als erstes Buch der Autorin in deutscher Sprache.
Übersetzerin
Übersetzer
Fadenheftung
145 × 235 mm
978-3-903409-14-9
2024
112
Mit 16 Birnholzschnitten von Christian Thanhäuser
Yuliia Iliukha
Slavko Grum
Aleš Debeljak & Eugenijus Ališanka
Adalbert Stifter
Dževad Karahasan