Aus dem Ukrainischen von Alois Woldan
Mit einem Nachwort von Mariya Donska
In Zusammenarbeit mit der Kulturvermittlung Steiermark
nimm dir Zeit
noch hat das letzte Ahornblatt den Boden nicht berührt
des Himmels warmer Stern gleicht einem Argonautenschiff
das segelt durch Jahrhunderte und sucht das goldene Vlies
und Frauen in den Häfen mit Wundern und mit Fluch verführt
nimm dir Zeit
noch führt das Ruder des jungen Jasons feste Hand
es ist der Blätterfall nicht, der uns trennt – es ist ein fremder Traum
der in die Faust die Nerven zwängt und niederkommt im Schmerz
mit grauem Regen in die Adern schneidet jedem, der hierher verbannt
nimm dir Zeit
damit wir Kolchis’ Lichter sehen, folge mir Schritt für Schritt
die Ewigkeit wird tiefer zwischen uns so wie das Eis
das unser böses Wort begräbt, zunimmt an Härte
der Blätterfall fordert Tribut und bitter schmeckt die Ernte
nimm dir Zeit
erstarrt liegt meine Hand im Griff der deinen, festgezwängt
ich lese sie, ich deute sie, worauf kein Weiser sich versteht
damit das Ahornblatt im Rausch des Frühlings neu ersteht
behalt ich deine Hand in meiner, bis der Herbst uns drängt
nimm dir Zeit …
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Autorin
Yuliia Iliukha, geboren 1982, ist eine ukrainische Schriftstellerin, Journalistin und Kolumnistin aus der Region Charkiw. Iliukha studierte Journalismus an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw und schreibt für Erwachsene und Kinder. In der Ukraine erschienen die Romane The Eastern Syndrome (2019) und Zero (2023), der Kurzgeschichtenband The Sky Catchers. Teach Me to Dream (2016), die Gedichtsammlung Graphomaniac Poems (2022) sowie mehrere Kinderbücher.
2024 erscheinen die Kurzgeschichten My Women in der Ukraine, Italien und den USA. Der vorliegende Gedichtband Das letzte Ahornblatt ist das erste Buch der Autorin in deutscher Sprache.
In ihren Werken greift die Autorin als Schlüsselthemen den Krieg, die damit verbundene Problematik posttraumatischer Belastungsstörungen und die Rolle von Frauen auf.
Iliukhas Werk wurde ins Bulgarische, Deutsche, Englische, Französische, Italienische, Katalanische, Polnische, Portugiesische, Schwedische und Ungarische übersetzt. Die Autorin wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Oles Hontschar-Preis für Literatur (2018), dem Preis des Internationalen Literaturwettbewerbs Word Coronation (2018) und dem 128 LIT International Chapbook Prize (2023).
Sie kuratierte das sozio-poetische, multimediale Projekt The Mark of Home, ein Vorhaben zur Unterstützung der Rehabilitation ukrainischer Kriegsveteranen durch Kunst und Kreativität, und stellte im Rahmen dieser Arbeit die gleichnamige Gedichtsammlung zusammen. Eine von ihr geführte Interviewreihe mit Schriftsteller:innen erschien in der ukrainischen Tageszeitung „Den“.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahr 2014 engagiert sich Iliukha als Freiwillige vor allem in der Beschaffung von Erste-Hilfe-Ausrüstung.
Im Mai 2022 verließ Yuliia Iliukha die Ukraine und flüchtete gemeinsam mit ihrem Sohn Ivan nach Österreich.
Übersetzer
Nachwort
Fadenheftung
145 × 235 mm
Mit acht Birnholzschnitten von Christian Thanhäuser
978-3-903409-12-5
2024
72
Arian Leka
Fiston Mwanza Mujila
Ludwig Hartinger
H. C. Artmann