Edition Thanhäuser
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Esther Kinsky

FlussLand Tagliamento

Gedichte

 

Vergriffen

 

In der Friedenauer Presse (Matthes & Seitz Berlin) ist eine Neuauflage von FlussLand Tagliamento von Esther Kinsky erschienen. Mehr dazu unter: www.matthes-seitz-berlin.de

Personen

Autorin:

Esther Kinsky

Details
Bindung

Fadenheftung

Format

145 × 235 mm

Inhalt

Mit achtundzwanzig Birnholzschnitten von Christian Thanhäuser im Text und einem Original-Holzschnitt am Umschlag

ISBN

978-3-900986-30-8

Jahr

2020

Seiten

96

Leseprobe

Leseprobe

Der Tagliamento ist kein langer Fluss. Er entspringt in den Friulanischen Dolomiten und fließt durch die abfallenden karnischen Alpen in südöstliche Richtung, bis er am Zusammenfluß mit dem Fella nach Süden abknickt und in die Ebene eintritt. Im Oberlauf hat der Fluss zwischen Felsenhängen aus Metamorphit- und  Sedimentgesteinen ein Bett gegraben, das sich unversehens weitet. Die Farben der Gesteine ändern sich mit dem Licht, vom stumpfen Grün über gneisiges Grau bis hin zu gelblich-schrundigen  Felsnarben bei Villa Santina, die im Sonnenlicht wie Versehrung, im Regen wie eine große Verfleckung des Hangs wirken, in der Nacht fahl stehen. Bergschorf, in dem das Dunkel nie ganz verfängt, ohne ein Büschel Grün. Verbliebene Wundflächen von Erschütterungen, womöglich eine Folge der unzähligen kleinen, oder den beiden großen letzten Erdbeben, Jahrhundertspuren einer Verschiebung des Geländes, der Lage des Dinge.

 

Je breiter der Tagliamento wird, desto weißer das Bett, Zuflüsse tragen das kalkige Karstgestein von Norden und Osten herbei, und so, weißgrau, das riesige Schotterbett mit unberechenbar wechselnden Wasserläufen durchwebt, tritt er in die Ebene ein und wendet sich dem Meer zu, gleißend, bläulich, im Dunst- und Regenlicht taubengrau, eine Landschaft für sich, die alles an sich zieht, ohne Ufer, Land unterwandernd.

 

Außerhalb der spärlicher werdenden Phasen schwerer Regenfälle und der Schneeschmelze ist das Flussbett eine Landschaft aus Stein mit einzelnen Inseln schmächtigen Gestrüpps zwischen den vielen schmalen Wasserarmen. Wo ist der Fluss? fragen Besucher ratlos auf den Brücken, am Ufer. Der Fluss ist die Spur die er zieht.

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